Programmheft

Carolin Widmann und Gabriele Carcano
Carolin Widmann und Gabriele Carcano © Lennart Ruehle

Johannes Brahms (1833 - 1897)
Violinsonate Nr. 2 A-Dur op. 100
Allegro amabile
Andante tranquillo – Vivace
Allegretto grazioso, quasi andante

Felix Mendelssohn Bartholdy (1809 - 1847)
aus: Lieder ohne Worte
op. 19 Nr. 1 E-Dur, Andante con moto MWV U 86
op. 38 Nr. 6 As-Dur (Duetto), Andante con moto MWV U 119
op. 67 Nr. 2 fis-Moll, Allegro leggiero MWV U 145

Claude Debussy (1862 - 1918)
Sonate für Violine und Klavier g-Moll
Allegro vivo
Intermède. Fantasque et lèger
Finale. Très animé

 

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Johannes Brahms’
Violinsonate A-Dur op. 100 entstand während der Sommermonate des Jahres 1886, die der Komponist in der Schweiz verbrachte. Max Kahlbeck, der erste Brahms-Biograph, sprach im Zusammenhang mit dem Opus 100 von der „Liebes- und Lieder-Sonate“, die  – so zitierte er Brahms– „in Erwartung der Ankunft einer lieben Freundin“ komponiert worden sei. Die Erwartete war die 29-jährige Altistin Hermine Spies, die Brahms als Solistin seiner Alt-Rhapsodie kennen und schätzen gelernt hatte. Als sie ankündigte, ihn besuchen zu wollen, komponierte er sogleich zwei neue Lieder und die A-Dur-Violinsonate, die mit jenen Liedern eng verknüpft ist. Denn musikalisches Material aus beiden Liedvertonungen, sowohl der Verse von Klaus Groth Wie die Melodien zieht es mir leise durch den Sinn (op. 105/1) als auch jener von Hermann Lingg  Immer leiser wird mein Schlummer (op. 105/2), fand Eingang in die Violinsonate. Die Lieder machte Brahms Hermine Spies zum Geschenk, was seinen Biographen annehmen ließ, dass es sich auch bei der Violinsonate um eine Liebesgabe gehandelt haben muss.

In einem Brief vom 12. Oktober 1842 schrieb Felix Mendelssohn Bartholdy an seinen Cousin Marc André Souchay: „Das was mir eine Musik ausspricht, die ich liebe, sind mir nicht zu unbestimmte Gedanken, um sie in Worte zu fassen, sondern zu bestimmte.” Der Komponist hielt den rein musikalischen Ausdruck für wesentlich präziser als die Vieldeutigkeit der Worte. Diesen Grundsatz scheint er in seinen berühmten Liedern ohne Worte erprobt zu haben, jenen Charakterstücken für Klavier, die im Prinzip genauso aufgebaut sind wie seine Lieder mit Texten. Zwischen 1832 und 1845 veröffentlichte Mendelssohn sechs Hefte mit Liedern ohne Worte, die jeweils sechs Stücke umfassten; posthum erschienen zwei weitere Hefte dieser Art. Es gibt Hinweise darauf, dass der ursprüngliche Anreiz für diese Werke ein musikalisches Spiel zwischen Mendelssohn und seiner Schwester Fanny war, bei dem sie ihren Klavierstücken im Nachhinein Worte hinzufügten.

Sechs Sonaten für verschiedene Besetzungen hatte Claude Debussy seinem Verleger Jacques Durand versprochen, von denen aber nur drei vollendet wurden. Als erstes entstanden 1915 die Cellosonate und die Sonate für Flöte, Viola und Harfe; im März 1917 folgte die Violinsonate. Anliegen von Debussy war es, eine Hommage auf die französische Musik des 18. Jahrhunderts, insbesondere jene von Jean-Philippe Rameau, den er von allen französischen Komponisten des Barocks am höchsten schätzte, zu schreiben. „Nichts kann entschuldigen, dass wir die Tradition der Werke eines Rameau vergessen haben, die in der Fülle ihrer genialen Einfälle fast einzigartig ist“, war seine Auffassung. Aus der Rückbesinnung auf die vorklassische Musik Frankreichs erklären sich die Formen der drei Sonaten. Keine von ihnen weist die Viersätzigkeit und die Sonatenhauptsatzform der deutschen Tradition auf. Sie haben vielmehr freie Formen, die poetische Titel tragen oder auf Gattungen des Barocks anspielen. Ihr Satz ist von Klarheit und ihr Stil von Eleganz geprägt – Eigenarten, die Debussy als typisch französisch empfand.

Die Ausführenden
Die künstlerischen Aktivitäten von Carolin Widmann reichen von den großen klassischen Konzerten über für sie eigens geschriebene Werke, Soloabende, eine große Bandbreite von Kammermusik bis hin zu Aufführungen auf historischen Instrumenten, die sie auch von der Geige aus leitet. Carolin Widmann wurde 2017 mit dem Bayerischen Staatspreis für Musik für ihre Individualität und ihr außerordentliches musikalisches Können ausgezeichnet. Des Weiteren erhielt sie den International Classical Music Award für ihre von der Fachpresse hoch gelobten Aufnahmen der Violinkonzerte von Mendelssohn und Schumann mit dem Chamber Orchestra of Europe, die 2016 bei ECM veröffentlicht wurden, und die Carolin Widmann von der Violine aus leitete.
Als „Musikerin des Jahres” der International Classical Music Awards 2013 hat Carolin Widmann mit weltweit führenden Orchestern zusammengearbeitet. Zu den jüngsten Höhepunkten zählen ihre Debüts beim Los Angeles Philharmonic Orchestra mit Esa-Pekka Salonen, beim Scottish Chamber Orchestra mit Maxim Emelyanychev und ihr New Yorker Debüt als Dirigentin des Orpheus Chamber Orchestra.
Als produktive Kammermusikerin spielt Carolin Widmann regelmäßig in renommierten Konzertsälen. 2018/19 unternahm sie eine große Recital-Tour nach Nord- und Südamerika und gab im Wiener Konzerthaus ein reines Beethoven-Programm im Rahmen der Beethoven-Feierlichkeiten. Ihre Aufnahmen mit Sonaten von Schubert und Schumann erregten Aufsehen im In- und Ausland und wurden u. a. mit dem Diapason d’Or und dem Preis der Deutschen Schallplattenkritik ausgezeichnet. 2006 gewann Carolin Widmanns Debüt-CD Reflections den Jahrespreis der Deutschen Schallplattenkritik.
Carolin Widmann interessiert sich besonders für die Zusammenarbeit mit anderen Künsten: Sie trat mit der Sasha Waltz Company auf, spielte ein Solokonzert in einem Frankfurter Fußballstadion im Rahmen eines von Daniel Libeskind kuratierten Projekts und entwickelte ein Konzertprogramm für Museen wie das Museum Ludwig in Köln oder das Museum für Moderne Kunst Frankfurt am Main.
Die Geigenvirtuosin wurde in München geboren und studierte bei Igor Ozim in Köln, Michèle Auclair in Boston und David Takeno an der Guildhall School of Music and Drama in London. Seit 2006 ist sie Professorin für Geige an der Hochschule für Musik und Theater Felix Mendelssohn Bartholdy Leipzig. Carolin Widmann spielt auf einer G. B. Guadagnini-Violine von 1782.

Gabriele Carcano, Preisträger des Borletti-Buitoni Trust Fellowship Award 2010, ist ein Pianist, der sowohl im Konzert als auch als Solist mit Orchestern und in der Kammermusik zu Hause ist. Von der Süddeutschen Zeitung nach seinem Münchner Debüt im Herkulessaal als „Klangbildhauer“ und „Ästhet“ gelobt, ist Gabriele Preisträger zahlreicher Auszeichnungen, darunter der Casella-Preis beim Wettbewerb Premio Venezia.
Der Pianist trat bei vielen Festivals auf, vom Mariinsky International Piano Festival in St. Petersburg bis zu den Festspielen Mecklenburg-Vorpommern, dem Radio France Festival in Montpellier, dem Rheingau Musik Festival, beim renommierten Piano aux Jacobins in Toulouse und beim MiTo Festival in Turin. Als Solist tritt er mit namhaften Orchestern Italiens und Deutschlands auf und als Kammermusiker spielt er regelmäßig mit Stephen Waarts, Lorenza Borrani, Andrea Lucchesini, Eckart Runge, Marie-Elisabeth Hecker u.a.
2016 veröffentlichte Gabriele Carcano seine erste CD mit frühen Werken von Johannes Brahms für das Label OehmsClassics, 2018 folgten zwei weitere für Rubicon Classics, ein Schumann gewidmetes Soloalbum und eine Duo-CD mit dem Geiger Stephen Waarts.
Der in Turin geborene Gabriele Carcano begann im Alter von sieben Jahren mit dem Klavierstudium und schloss es im Alter von siebzehn Jahren am Konservatorium Giuseppe Verdi in Turin mit den höchsten Noten und Auszeichnungen ab. Er setzte seine Studien bei Andrea Lucchesini an der Accademia di Musica in Pinerolo und bei Aldo Ciccolini in Paris fort, gefolgt von Studien bei Nicholas Angelich am Conservatoire National Superior de Musique sowie bei Marie Françoise Bucquet. Weiteren Unterricht erhielt er bei Richard Goode und Alfred Brendel. Seit Herbst 2015 unterrichtet er an der Accademia di Musica in Pinerolo. Gabriele Carcano ist ein Steinway Artist.