Kurt Masur & Schlesien

Mit Schlesien, insbesondere mit Breslau und Brieg, fühlte sich Kurt Masur in besonderem Maße verbunden. Dort verlebte er seine Kindheit und Jugend, dort entdeckte er seine Liebe zur Musik. Die nach 1945 entstandene Kluft zwischen den Deutschen und Polen versuchte Kurt Masur stets zu überwinden. Als Verfechter eines friedvollen Miteinanders zwischen den Menschen reiste er u.a. mit dem Gewandhausorchester, dem New York Philharmonic Orchestra und dem Orchestre National de France zu Konzerten nach Polen. Für seinen Einsatz für die deutsch-polnischen Beziehungen erhielt er u.a. das Ehrenkreuz der Polnischen Republik, die Ehrendoktorwürde der Musikakademie in Breslau und wurde Ehrenbürger der Stadt Brieg.

Kurt Masur wurde am 18. Juli 1927 in Brieg geboren, einer kleinen Stadt bei Breslau, die damals etwa 30.000 Einwohner hatte. Schon im Kindesalter war sein Interesse an der Musik deutlich zu erkennen, und im Alter von 10 Jahren erhielt er bereits Klavierunterricht bei der Kantorin Katharina. Als Kind fuhr Masur mehrmals in der Woche nach Breslau, wo er seine erste Oper Carl-Maria von Webers „Freischütz“ erlebte. Ein anderes Mal nahm er mit seiner Mutter an einem Orgelkonzert in der Elisabethkirche teil, was ihn so tief beeindruckte, dass er von da an Musiker werden wollte.

Ab dem Alter von 14 Jahren nahm Masur Klavier- und Cellounterricht an der Breslauer Musikschule und war er fest entschlossen, entweder Organist oder Pianist zu werden. Die Eltern eines Freundes schenkten ihm immer wieder Konzertkarten für die Breslauer Philharmonie und bereits im Sommer 1943 hörte er sein erstes Sinfoniekonzert. „Außer Kontrolle geraten, tagelang nicht ansprechbar gewesen und wie abwesend durch die Straßen gelaufen…“ sei der junge Kurt Masur nach diesem besonders Erlebnis.

Aufgrund der Sehnenverkürzung eines Fingers blieb ihm leider eine Pianisten- oder Organistenlaufbahn verwehrt und so wandte er sich dem Dirigieren zu. Über diesen Entschluss war die Familie recht irritiert bis amüsiert, da er ein scheuer, introvertierter Junge war. Aber Masur wollte seine Scheu „endlich überwinden“ und ließ sich nicht davon abbringen.

Aber am 25. September 1944 erteilte Hitler den Befehl zur Bildung des „Deutschen Volkssturms“, was dem kulturellen Leben in Breslau ein Ende setzte. Seine Schulklasse bekam den „Reifevermerk der Oberschule“ und schon im November wurde er den Fallschirmjägern zugeteilt. Zum Ende des Krieges, als die Rote Armee durch Schlesien vorrückte, machte sich ein Flüchtlingsstrom, u. a. die Familie Masur, auf den Weg nach Westen.

Im Rückblick auf seine erste Widerbegegnung mit seiner Heimat 1957 stellte er fest: „Es lag eine Vertrautheit in den Steinen, aber die Menschen, die Sprache, das war mir alles ganz fremd.“ Er dokumentierte den Besuch im Film „Vertraute Wege“, der hier zu sehen ist:

Masur unterhielt im Laufe seines Lebens enge Beziehungen zu Breslau, indem er u.a. Masterklassen durchführte, und im Jahr 1999 verlieh ihm die Musikakademie in Breslau die Ehrendoktorwürde in Anerkennung seiner Bemühungen um die Versöhnung und größere Verständigung zwischen den deutschen und polnischen Völkern. Tomoko Masur zeigte sich besonders beeindruckt von der großen Teilnehmerzahl aus Polen.  

Als die Orgel in der Elisabethkirche im Jahr 1976 bei einem Kirchenbrand zerstört wurde, spielte Masur eine Schlüsselrolle bei ihrer Wiederherstellung. Er war sehr bestürzt über die Zerstörung der Orgel, deren Klang er als besonders einmalig empfand. Somit schenkte er dem damaligen Bürgermeister der Stadt, Rafal Dutkiewicz, CDs mit dem Ton der Breslauer Orgel und sagte ihm: „Du musst sie wiederaufbauen!“ Im Jahr 2022 kam die Orgel zurück in die Elisabethkirche, nicht zuletzt dank der Bemühungen von Kurt Masur.