Programmheft

© Beethoven-Haus, Bonn

PROGRAMM

Ludwig van Beethoven (1770–1827)

Sonate für Klavier und Violine op. 47 A-Dur, Kreutzersonate
Adagio sostenuto – Presto – Adagio
Andante con variazioni
Finale. Presto

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Für einen gemeinsamen Auftritt mit George Polgreen Bridgetower, einem englischen Violinisten mit afrikanischen Wurzeln, zur Nachmittagsakademie im Wiener Augarten am 24. Mai 1803 schrieb Beethoven seine berühmteste und wirkungsvollste Violinsonate op. 47. Die Kreutzersonate ist sozusagen das kammermusikalische Gegenstück zur Sinfonie Eroica, die Beethoven im gleichen Jahr beendete. Beide Werke sprengen die Grenzen dessen, was damals in den entsprechenden Gattungen üblich war – sowohl in ihrer Länge als auch in ihrer Ausdruckskraft. Sonata per il Pianoforte ed un Violino obligato, scritta in uno stilo molto concertante quasi come d’un Concerto – „Violinsonate in einem überaus konzertierenden Stil, fast wie in einem Konzert“ lautet der Originaltitel. Das Werk ist rund 40 Minuten lang und in jedem seiner drei Sätze so kühn, dass die beiden Solisten bei der Uraufführung keinen Erfolg hatten. Vielleicht ließ aber auch die Ausführung am Premierentag zu wünschen übrig, denn zwei Sätze der Sonate waren erst am Konzertmorgen fertig geworden, so dass Bridgetower vom Blatt und Beethoven aus einem fragmentarischen Klaviermanuskript spielte.
Den überaus konzertanten Stil entwickelte der Komponist ausgehend vom Finale, dem zuerst vollendeten Satz des Werkes. Diese virtuose Tarantella war ursprünglich für die Sonate op. 30 Nr. 1 bestimmt. Beethoven hatte sie jedoch, da sie ihm zu den ersten Sätzen nicht zu passen schien, gegen Variationen ausgetauscht. Der nun alleinstehende Satz verlangte nach einer Vervollständigung in einem ähnlich brillanten Stil, was die ersten Sätze vollkommen einlösen.
Mit den neu komponierten beiden Sätzen manifestierte Beethoven die besondere Rolle der Violine. Als gleichberechtigtes Instrument beginnt sie die Sonate mit einem Solo. Das Klavier kommt hinzu und die beiden Protagonisten treten in einen feierlich anmutenden Zwiegesang. Dann überschlagen sich die Ereignisse: Der stilo molto concertante wird im folgenden Presto nicht durch virtuose Passagen für die beiden Instrumente eingelöst, sondern durch eine Fülle wild-bewegter Tremoli, Akkordbrechungen und anderer Affektfiguren. Auch im anschließenden Andante con variazioni ist die Violine als gleichrangiges Instrument in den insgesamt vier Variationen zu erleben. Das Finale bezieht seinen Schwung und seine unbändige Kraft aus dem Tarantella-Rhythmus und aus der engen kontrapunktischen Verflechtung der beiden Instrumente.

 

Die Künstler
Frank-Michael Erben entstammt einer Leipziger Musikerfamilie und begann im Alter von 5 Jahren mit dem Violinspiel. Nach Abschluss seines Violinstudiums an der Hochschule für Musik Felix Mendelssohn Bartholdy Leipzig, wurde er, einundzwanzigjährig, zum 1. Konzertmeister des Gewandhausorchesters Leipzig gewählt.
Seit 1993 leitet er als Primarius das Gewandhaus-Quartett. Neben diesen Aufgaben gastiert Frank-Michael Erben als Solist in Europa, Nord- und Südamerika sowie dem Nahen Osten. Über 25 CD-Aufnahmen und mehrere DVD-Produktionen dokumentieren diese Arbeit und wurden u.a. mit dem Deutschen Schallplattenpreis ausgezeichnet. 2007 berief ihn das Orchester der Bayreuther Festspiele zum 1. Konzertmeister. In den vergangenen Jahren trat der Künstler auch verstärkt als Dirigent in Erscheinung.
Nach Gastdirigaten beim Hallenser Akademischen Orchester, dem Gewandhausorchester, dem Herzliya Chamber Orchestra (Israel), dem Royal Scottish National Orchestra, der Magdeburger Philharmonie sowie der Musikalischen Komödie Leipzig, wählte ihn das Leipziger Symphonieorchester 2009 zu seinem Chefdirigenten. Diese Funktion hatte er bis 2014 inne.

Frank-Michael Erben ist  gewähltes Ehrenmitglied des Beethoven-Vereins Bonn und Träger des Internationalen Mendelssohn-Preises der Stadt Leipzig. Er spielt auf einer Violine des italienischen Geigenbauers J.B. Guadagnini aus dem Jahre 1755.

Alfredo Perl ist ein chilenischer Pianist. Seine in Santiago de Chile bei Carlos Botto begonnene Ausbildung setzte er an der Kölner Musikhochschule bei Günter Ludwig und in London bei Maria Curcio fort. Als Preisträger einiger bedeutender Klavierwettbewerbe – er gewann den 1. Preis beim Internationalen Klavierwettbewerb in Montevideo und nahm unter anderem erfolgreich am Busoni-Wettbewerb in Bozen und am Wiener Beethoven-Wettbewerb teil – spielte er sich bald in die Riege der wichtigsten Pianisten seiner Generation.
1996/97 führte er alle Klaviersonaten von Ludwig van Beethoven in London (Wigmore Hall), Santiago de Chile und Moskau auf.
Gleichzeitig spielte er die 32 Sonaten und die Diabelli-Variationen für das Label Arte Nova (BMG) in Kooperation mit Radio Bremen ein. Konzerte wie Einspielungen stießen auf sehr positive Resonanz. So schrieb der Musikkritiker Joachim Kaiser: „[…] mit großer unabgenutzter Frische, mit äußerster Zärtlichkeit und unaffektierter Brillanz demonstrierte er tröstlich, wie wenig die Tradition erfüllten und erfühlten Beethovenspiels auch in unseren prosaischen Zeiten aufhört.“
Weitere Einspielungen für dasselbe Label waren drei CDs mit Klaviermusik von Liszt, Brahms-Sonaten gemeinsam mit dem Klarinettisten Ralph Manno, Beethoven-Sonaten gemeinsam mit dem Cellisten Guido Schiefen sowie Klavierkonzerte von Grieg und Szymanowski (die Sinfonie Nr. 4, auch Sinfonia concertante). Es folgten Einspielungen für das Label Oehms-Classics, darunter Beethoven-Sonaten gemeinsam mit dem Geiger Benjamin Schmid und Klavierkonzerte von Liszt. Im März 2010 erschien eine Doppel-CD bei Celestial Harmonies mit den drei späten Schubert-Sonaten.

Perl spielte in Konzertsälen wie dem Großen Musikvereinssaal (Wien), dem Concertgebouw (Amsterdam) und dem Teatro Colón (Buenos Aires), trat bei renommierten Festivals wie dem Rheingau Musik Festival, dem Schleswig-Holstein Musik Festival, den Schwetzinger Festspielen,  dem Internationalen Musikfestival Bath und den Londoner Proms auf und konzertierte mit zahlreichen namhaften Orchestern, darunter dem Gewandhausorchester Leipzig, dem Orchestre de la Suisse Romande und dem London Symphony Orchestra. Seit 2007 ist er Professor für Klavier an der Hochschule für Musik Detmold, seit 2009 auch künstlerischer Leiter des Detmolder Kammerorchesters.

Im Jahr 2015 wurde Alfredo Perl gemeinsam mit Gerhild Romberger, Stephan Rügamer und dem Detmolder Kammerorchester mit dem ECHO Klassik in der Kategorie Kammermusikeinspielung des Jahres (Musik des 20./21. Jahrhunderts) ausgezeichnet.