Programmheft

© Beethoven-Haus, Bonn

PROGRAMM

Ludwig van Beethoven (1770–1827)

Sonate für Klavier und Violine Es-Dur op. 12 Nr. 3
Allegro con spirito
Adagio con molt' espressione
Rondo. Allegro molto

Sonate für Klavier und Violine F-Dur op. 24 (Frühlingssonate)
Allegro
Adagio molto espressivo
Scherzo. Allegro molto
Rondo. Allegro, ma non troppo

Zum Programm
Ludwig van Beethoven war seit seiner Zeit in der Bonner Hofkapelle, in der er als Geiger aushalf, mit dem Violinspiel bestens vertraut und verfeinerte dieses auch nach seiner Übersiedlung nach Wien. Zehn Sonaten für Klavier und Violine hat er komponiert, fast alle in jüngeren Jahren, doch bis auf die Frühlings- und die Kreutzersonate werden sie selten im Konzert gespielt. Insgesamt stehen die Violinsonaten im Schatten von Beethovens gigantischem Sonatenschaffen für Klavier solo.

Seine ersten drei Sonaten veröffentlichte er 1799 zusammengefasst unter der Opuszahl 12. Wie noch mehrfach in seinem Leben, sollte er mit diesem Konvolut nicht nur Bewunderung, sondern auch absolutes Unverständnis ernten. Unmittelbar nach Drucklegung der Sonaten war in der renommierten Leipziger Allgemeinen Musikalischen Zeitung zu lesen: „Es ist unleugbar, Herr von Beethoven geht einen eigenen Gang: aber was ist das für ein bizarrer, mühseliger Gang! Gelehrt, gelehrt und immer fort gelehrt und keine Natur, kein Gesang [...] Eine Sträubigkeit, für die man wenig Interesse fühlt, ein Suchen nach seltener Modulationen, ein Ekeltun gegen gewöhnliche Verbindung, ein Anhäufen von Schwierigkeit auf Schwierigkeit, daß man die Geduld und Freude dabei verliert.“ Beethoven wusste hingegen wenig später freudig zu berichten, dass sein Opus 12 in acht Ausgaben erschienen war und dass Verleger in Paris, London und vier deutschen Städten um den Druck wetteiferten. Das Publikum und die Kritiker scheinen sich - nicht zum letzten Mal - uneinig in ihrer Beurteilung gewesen zu sein.

In den Jahren 1800 und 1801 ließ Beethoven mit der a-Moll-Sonate und der F-Dur-Sonate ein Werkpaar folgen, das eng aufeinander bezogen ist und sich in seiner Grundstimmung gleichsam wie Tag und Nacht ergänzt. Die unbeschwert heitere und konfliktfreie Atmosphäre des F-Dur-Werkes bildet das optimistische Gegenstück zu der nachtdunklen, schroffen a-Moll-Sonate, der sie jedoch an konzertantem Anspruch und formaler Ausgereiftheit nicht nachsteht. Interessanterweise erschienen die beiden Sonaten im Oktober 1801 zunächst als gemeinsames Opus 23, was ihren Charakter als Werkpaar betont, doch wurden sie bereits 1802 – wohl aus verlegerischen Gründen – als op. 23 und op. 24 getrennt veröffentlicht.
Der Titel Frühlingssonate für das Opus 24 stammt nicht vom Komponisten. Doch fängt diese später hinzugefügte Bezeichnung den hellen, melodisch sich in weitem Bogen ausbreitenden Gestus der Musik sehr treffend ein. Schon der Beginn des ersten Allegros mit den herabfließenden Linien der Violine wirkt in ihrer ornamentalen Ausschmückung und großen Geste, im Gegensatz zur Kargheit der a-Moll-Sonate, wie eine Befreiung. Was noch im Schwesterwerk in der eigenartigen Dopplung von Andante und Scherzo in einem Satz zusammengezogen war, findet in der F-Dur-Sonate nun Raum in zwei Mittelsätzen, dem ruhig fließenden, lyrischen Adagio molto espressivo mit deutlichem thematischen Anklang an das Kopfthema des ersten Satzes und dem Scherzo, in dem Beethoven die Violin-Stimme anscheinend zu spät einsetzen läßt und so das rhythmisch-metrische Gerüst ins Wanken bringt. Wie in allen seinen bis dahin komponierten Violinsonaten beschließt Beethoven auch die Frühlingssonate mit einem spielfreudigen Rondosatz.

Die Künstler
Frank-Michael Erben entstammt einer Leipziger Musikerfamilie und begann im Alter von 5 Jahren mit dem Violinspiel. Nach Abschluss seines Violinstudiums an der Hochschule für Musik Felix Mendelssohn Bartholdy Leipzig, wurde er, einundzwanzigjährig, zum 1. Konzertmeister des Gewandhausorchesters Leipzig gewählt.
Seit 1993 leitet er als Primarius das Gewandhaus-Quartett. Neben diesen Aufgaben gastiert Frank-Michael Erben als Solist in Europa, Nord- und Südamerika sowie dem Nahen Osten. Über 25 CD-Aufnahmen und mehrere DVD-Produktionen dokumentieren diese Arbeit und wurden u.a. mit dem Deutschen Schallplattenpreis ausgezeichnet. 2007 berief ihn das Orchester der Bayreuther Festspiele zum 1. Konzertmeister. In den vergangenen Jahren trat der Künstler auch verstärkt als Dirigent in Erscheinung.
Nach Gastdirigaten beim Hallenser Akademischen Orchester, dem Gewandhausorchester, dem Herzliya Chamber Orchestra (Israel), dem Royal Scottish National Orchestra, der Magdeburger Philharmonie sowie der Musikalischen Komödie Leipzig, wählte ihn das Leipziger Symphonieorchester 2009 zu seinem Chefdirigenten. Diese Funktion hatte er bis 2014 inne.

Frank-Michael Erben ist  gewähltes Ehrenmitglied des Beethoven-Vereins Bonn und Träger des Internationalen Mendelssohn-Preises der Stadt Leipzig. Er spielt auf einer Violine des italienischen Geigenbauers J.B. Guadagnini aus dem Jahre 1755.

Alfredo Perl ist ein chilenischer Pianist. Seine in Santiago de Chile bei Carlos Botto begonnene Ausbildung setzte er an der Kölner Musikhochschule bei Günter Ludwig und in London bei Maria Curcio fort. Als Preisträger einiger bedeutender Klavierwettbewerbe – er gewann den 1. Preis beim Internationalen Klavierwettbewerb in Montevideo und nahm unter anderem erfolgreich am Busoni-Wettbewerb in Bozen und am Wiener Beethoven-Wettbewerb teil – spielte er sich bald in die Riege der wichtigsten Pianisten seiner Generation.
1996/97 führte er alle Klaviersonaten von Ludwig van Beethoven in London (Wigmore Hall), Santiago de Chile und Moskau auf.
Gleichzeitig spielte er die 32 Sonaten und die Diabelli-Variationen für das Label Arte Nova (BMG) in Kooperation mit Radio Bremen ein. Konzerte wie Einspielungen stießen auf sehr positive Resonanz. So schrieb der Musikkritiker Joachim Kaiser: „[…] mit großer unabgenutzter Frische, mit äußerster Zärtlichkeit und unaffektierter Brillanz demonstrierte er tröstlich, wie wenig die Tradition erfüllten und erfühlten Beethovenspiels auch in unseren prosaischen Zeiten aufhört.“
Weitere Einspielungen für dasselbe Label waren drei CDs mit Klaviermusik von Liszt, Brahms-Sonaten gemeinsam mit dem Klarinettisten Ralph Manno, Beethoven-Sonaten gemeinsam mit dem Cellisten Guido Schiefen sowie Klavierkonzerte von Grieg und Szymanowski (die Sinfonie Nr. 4, auch Sinfonia concertante). Es folgten Einspielungen für das Label Oehms-Classics, darunter Beethoven-Sonaten gemeinsam mit dem Geiger Benjamin Schmid und Klavierkonzerte von Liszt. Im März 2010 erschien eine Doppel-CD bei Celestial Harmonies mit den drei späten Schubert-Sonaten.

Perl spielte in Konzertsälen wie dem Großen Musikvereinssaal (Wien), dem Concertgebouw (Amsterdam) und dem Teatro Colón (Buenos Aires), trat bei renommierten Festivals wie dem Rheingau Musik Festival, dem Schleswig-Holstein Musik Festival, den Schwetzinger Festspielen,  dem Internationalen Musikfestival Bath und den Londoner Proms auf und konzertierte mit zahlreichen namhaften Orchestern, darunter dem Gewandhausorchester Leipzig, dem Orchestre de la Suisse Romande und dem London Symphony Orchestra. Seit 2007 ist er Professor für Klavier an der Hochschule für Musik Detmold, seit 2009 auch künstlerischer Leiter des Detmolder Kammerorchesters.

Im Jahr 2015 wurde Alfredo Perl gemeinsam mit Gerhild Romberger, Stephan Rügamer und dem Detmolder Kammerorchester mit dem ECHO Klassik in der Kategorie Kammermusikeinspielung des Jahres (Musik des 20./21. Jahrhunderts) ausgezeichnet.